Inklusive Schulentwicklung auf dem Weg zu einer „Schule für alle“
Inklusion – hinter diesem Begriff verbirgt sich keine weitere „Seifenblase“ in einer seit dem „Pisaschock“ von vielen Reformen aufgerüttelten Bildungssystem, sondern ein Paradigmenwechsel für alle Schultypen. Es geht nicht um eine weitere Reform, sondern um ein grundsätzlich neues Denken und Arbeiten im deutschen Bildungssystem: Historisch setzt das deutsche gegliederte Schulsystem auf Selektion. Inklusion heißt dagegen individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes gemäß seinen Begabungen, seiner Einzigartigkeit und seiner Würde. Dies ermöglicht Kindern mit besonderem Förderbedarf, sei er körperlich, sozial, emotional etc. den Besuch von Regel- statt Förderschulen.

Aber dies ist nicht das einzige Paradox, dass es zu lösen gilt, denn eine solche (R)Evolution im deutschen Bildungswesen wird durch die institutionellen Vorgaben mit der Unterzeichnung der UN Menschenrechtskonvention durch die BRD hierarchisch via Bezirksregierung/Schulamt/Schulleitung an die Lehrerinnen und Lehrer delegiert. Diese sind jedoch die wirklichen Akteure, die diesen Systemwechsel entwickeln und durchführen sollen, sich aber aktuell in vielen Fällen für diese Aufgabe nicht kompetent fühlen und auch nicht gefragt werden.
Die Publikation „Inklusive Bildung: Konzepte und Entwicklungen“ der UNESCO (2009) zeigt neben der internationalen Relevanz dieses Themas ebenso den Bedarf für ein organisiertes Change Management auf. Am 1. Dezember 2010 hat sich NRW auf den Weg gemacht zu einem inklusiven Bildungssystem, welches vermutlich über mehrstufige Prozesse erreicht werden kann.
Es gibt bereits erste Pilotstudien in der Erprobung (ersichtlich z.B. in der empirischen Analyse von Bettina Amrhein: Inklusion in der Sekundarstufe). Implementierungsstrategien, pädagogische Konzepte werden quasi unterwegs entwickelt, das heißt „Learning by Doing“ in einem hochentwickelten Bildungssystem, das traditionell auf durchdachten und erprobten Lehr-, Stunden-, Förder-, Unterrichtsplänen basiert. Das ganze Schulsystem wird zu einer lernenden Organisation. Eine solche Veränderung kann große Risiken beinhalten, aber wie jede Veränderung auch große Chancen für jeden Schüler – ob mit oder ohne besonderen Förderbedarf – für jeden Lehrer, jedes Kollegium, jede Schule und unsere (Wissens)-Gesellschaft. Mit dem INDEX für Inklusion gibt es nun endlich auch eine Möglichkeit für eine systematische Herangehensweise im Bereich der inklusiven Schulentwicklung.
Der INDEX für INKLUSION
Der Inklusionsbegriff deutet auf eine Beseitigung der Hindernisse zur Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben hin. Überall dort, wo bestimmte Gruppen ausgeschlossen werden – sei es durch negative Einstellungen ihnen gegenüber oder durch konkrete Hindernisse, wird Partizipation für diese Gruppen gemindert bzw. unmöglich gemacht. Die UN-Konvention zielt darauf ab, diese Grenzen und Barrieren innerhalb unserer Gesellschaft aufzudecken und weitestgehend aufzulösen. Für unsere Schulen bedeutet dies u.a., dass Kinder und Jugendliche mit Behinderungen im regulären Schulsystem einen Platz eingeräumt werden muss. Aber Inklusion ist noch mehr: Im Grunde beschreibt das Leitbild einer inklusiven Gesellschaft, dass alle Menschen in all ihrer differenzierten (Eigen-)Art ein Recht auf Teilhabe und Partizipation haben. Wenn wir eine inklusive Gesellschaft haben wollen, muss Platz sein für jeden – und darf jeder sein mitgebrachtes Potenzial an einer für ihn passenden Stelle einbringen. Inklusion hat also unmittelbar mit Differenzierung, Potenzialentfaltung und Partizipation zu tun.

Mit dem INDEX für Inklusion kommt nun ein sehr hilfreiches Werkzeug für inklusive Schulentwicklung nach Deutschland: Entwickelt von Tony Booth und Mel Ainscow im Centre for Studies on Inclusive Education (UK) und übersetzt, bearbeitet und für den deutschsprachigen Raum herausgegeben von Ines Boban und Andreas Hinz (Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg) profitieren Schulen von einem 118-seitigen Leitfaden zur Analyse und Weiterentwicklung ihrer Schulsituation auf dem Gebiet der Inklusion. (Hier können Sie sich den INDEX herunterladen.)
Der INDEX für Inklusion beinhaltet Theorie und Hintergrund zum Thema Inklusion, macht Gestaltungsvorschläge für den inklusiven Schulentwicklungsprozess und bietet ausführliche Arbeitsmaterialien als Grundlage für die jeweilige Steuergruppe. Dieser systematische Fundus kann ein Begleitinstrument werden für eine schrittweise, prozesshafte Schulentwicklung hin zu einer immer inklusiveren Schule. Bestenfalls ensteht aus dem INDEX-Prozess eine permanente Werkstatt, aus der nachhaltig neue Schul-Kulturen, -Strukturen und -Praktiken hervorgehen.
Es wird empfohlen, dass Schulen einen sog. „externen Freund“ einladen, der diesen Prozess unterstützt und begleitet. Die SOPHIA::Akademie versteht sich als diesen Freund – und bietet in allen Prozessstadien kompetente Unterstützung mit dem Ziel „Hilfe zur Selbsthilfe“ an. Dazu setzen wir Moderation von partizipativen (Groß-)Gruppenformaten, Supervision, Coaching sowie Projektbegleitung ein und verstehen uns als Change Agents, die die Transformation gemeinsam mit Ihnen vorbereiten, planen, durchführen und evaluieren. Ob Sie uns für eine Einzelveranstaltung wie eine schulinterne Lehrerfortbildung einladen oder dauerhafte Prozessbegleitung wünschen – Sie, Ihre Schule und Ihre spezifische Situation sind Grundlage und Ausgangspunkt für unser Angebot. Deshalb finden Sie nachfolgend lediglich beispielhaft einige Möglichkeiten, wie wir Sie zu diesem Thema unterstützen können. Bitte kontaktieren Sie uns und erzählen uns gerne von Ihren Herausforderungen und Bedürfnissen, die Sie gerade auf Ihrem Weg zu einer inklusiven Schule machen bzw. haben! Wir überlegen dann gemeinsam, ob und wie der INDEX für Sie sinnvoll eingesetzt werden kann.
Es geht um das, was jetzt dran ist für Sie, als LehrerIn, SchuleiterIn, Kollegium, ElternvertreterIn, SchülerIn. Und zwar mit Infos, Austausch und der Erarbeitung von individuellen Lösungsansätzen.
Ein Auszug aus unseren Angeboten
Die Einführung der Inklusion in den Schulen bringt für alle Beteiligten eine deutliche Herausforderung mit sich. Viele sind ratlos, weil sie nicht wissen, was auf sie zukommt und wie sie mit den Veränderungen umgehen sollen. Die Heterogenität in den Klassen wird durch Kinder mit Förderbedarf noch größer und erscheint damit kaum mehr handhabbar. Wie kann das gehen, Kinder mit so unterschiedlichem Bedarf in einer solch inhomogenen Klasse angemessen zu unterrichten? Manche Lehrkräfte blicken skeptisch auf das zu erwartende Teamteaching. Auch gibt es zur Zeit erst wenige umfassende Unterrichtsmaterialien für den inklusiven Unterricht. Manchmal stellen die baulichen Gegebenheiten der Schulgebäude ein Hindernis dar. Wie wird sich das soziale Klima in einer inklusiven Schule entwickeln? Wie soll sich die Schule positionieren in der aktuellen Situation? Und was wird aus mir? Fragen über Fragen…
Für Ihre SCHILF-Veranstaltung oder pädagogischen Tag machen wir Ihnen ein maßgeschneidertes Angebot auf der Grundlage einer gründlichen Auftragsklärung. Unser Fokus liegt dabei sowohl auf den individuellen Herausforderungen als auch auf der Entwicklung und Positionierung Ihrer Schule zum Thema Inklusion. Impulsvorträge („Inklusion – Grundlagen und Herkunft“, „Was ist der INDEX?“) und partizipative Großgruppenformate begleiten Sie bei Ihrem nächsten Schritt auf dem Weg zu einer immer inklusiveren Schule.
Welchen aktuellen Herausforderungen sehen wir uns momentan gegenüber gestellt? Welche Lösungen könnte es geben? Wie machen es die anderen? An diesem Tag werden Lehrkräfte aller Schulformen von- und miteinander lernen – und sowohl Fragen als auch Lösungen beitragen können. Denn gemeinsam lässt sich Inklusion nicht nur als Belastung, sondern auch als Chance für Wohlbefinden und veränderten Unterrichtsbetrieb an Schulen entdecken und nutzbar machen. Mit Hilfe des “INDEX für Inklusion”, einem Prozess-Werkzeug für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention an Schulen, werden beispielhaft konkrete nächste Schritte für eine inklusive Schulentwicklung erarbeitet. Von der Nutzung des Index profitieren bereits viele Schulen – und zwar nicht nur im Umgang mit den behinderten Kinder und deren Eltern, sondern auch im Hinblick auf Unterrichtserfolg, Schulklima und Wohlbefinden/Gesundheitsförderung.
Datum/Ort/Kosten und Anmeldemöglichkeiten finden Sie hier.
Rechtliche Grundlagen und wissenschaftliche Erkenntnisse sowie ein moderiertes Forum für Erfahrungsaustausch sind die wesentlichen Bestandteile des Vortrags. Desweiteren ergänzen kleine erfahrungsbasierte Übungen das Verständnis für das Thema sowie für die unterschiedlichen Betroffenen-Gruppen.
Der INDEX für Inklusion wird als Grundlage für inklusive Schulentwicklung vorgestellt. Wir erläutern die einzelnen Dimensionen (Kultur, Struktur, Praxis) und geben Best-Practice-Beispiele für die Bereiche dieser Dimensionen. Außerdem stellen wir Ihnen einen erweiterten INDEX-Prozess vor, der als permanente Werkstatt vielleicht auch für Ihre Schule interessant sein könnte.
Heterogenität im Klassenverband kann auch schon ohne explizite Inklusion und Integration eine wachsende Herausforderung sein: Lehrpläne und –ziele richten sich auf einen imaginären Durchschnittsschüler, den es in Wirklichkeit immer weniger gibt. Stattdessen ist Heterogenität eine reguläre Gegebenheit und führt die wachsende Individualisierung der Lernenden zu einem sich ausbreitenden Spektrum von kognitiven und psychosozialen Voraussetzungen, mit denen die Lehrer sich tagtäglich konfrontiert sehen.
Dabei beziehen sich die Dimensionen der Heterogenität nicht nur auf Begabungen und Leistung, sondern zunehmend werden auch soziale, familiäre, ökonomische, kulturelle, bildungsbezogene und biografische Hintergründe von Bedeutung. Und nicht zuletzt spielen Alter, Geschlecht, Lernstil und –typ, Sprachkompetenz, Interessen, Begabungen und Motivation eine Rolle, wenn es um die Frage nach einem adäquaten Unterricht für jeden Einzelnen geht. Ein produktiver Umgang mit der Vielfalt, die Diversität als Chance statt Problem betrachtet, kann in verschiedene Maßnahmen münden: Durch Methodenvielfalt und differenzierte Angebote können vielfältige Zugänge und Lernwege zum Unterrichtsstoff ermöglicht werden. Durch Stärkung der Eigenverantwortung der Lernenden sowie durch gezielte Förderung und Forderung rückt der Einzelne in den Vordergrund. Dies sind allerdings nur einige der zahlreichen Möglichkeiten – und die Frage bleibt: Wo fängt man an? Und wie setzt man dies konkret im Schulalltag um?
So wie jeder Schüler und jede Schülerin einzigartig sind, ist es auch jede Schule. Ein Patentrezept für differenzierten Unterricht gibt es nicht, auch wenn vielerorts bereits gelungene Best-Practice-Beispiele gelebt werden (Kooperatives Lernen, Stationen-Lernen, Selbstgesteuertes Lernen, Teamteaching). Eine 1-zu-1-Übertragung dieser Konzepte halten wir nachhaltig nicht für wirksam, sondern bieten mit unserem speziellen Format der Integralen Zukunftswerkstatt einen Lösungsansatz an, der von der Einzigartigkeit der jeweiligen Schule ausgeht und sich das kreative und pädagogische Potential des Kollegiums zunutze macht. Auf Wunsch können die Best-Practice-Beispiele als Impuls-Referate erläutert werden.
Inklusion ist kein Endzustand sondern ein immerwährender Prozess hin zu einer immer inklusiveren Gesellschaft – also auch Schule. Diesen Prozess unterstützen und begleiten wir gerne, wenn es um Fragen eines nachhaltigen „WIE?“ geht. Bestandteile der Prozessbegleitung können Supervision, Moderation und Coaching sein – und werden jeweils individuell mit Ihnen geklärt. Hier gibt es weitere Informationen.